Der Singverein Emden von 1805 hatte personell aufgefahren. Das um den RathsChor Bremen verstärkte Ensemble trat nun mit tatsächlich insgesamt rund 100 Sängerinnen und Sängern an und schien schon durch die reine Masse den großen Saal der Martin-Luther-Kirche zum Beben zu bringen, als die ersten Klänge der „Johannes-Passion“ von Johann Sebastian Bach, 300 Jahre nach ihrer ersten Aufführung in Leipzig, am Sonntag (18. Dezember) durch den Saal hallten. Dazu gab es sieben Solisten und – als Instrumentalisten – das auf historischen Instrumenten spielende Barockorchester Concerto Bremen.
Diese ganze musikalische Fülle leitete Clemens-C. Löschmann als Dirigent in die richtigen Bahnen. Er hatte das Oratorium nicht nur mit dem Singverein, sondern auch mit dem RathsChor Bremen einstudiert, so dass alle um seinen interpretatorischen Ansatz wussten. Löschmann „las“ die Musik nämlich vom Text her und ließ die Stimmen und Instrumente an bestimmten, bedeutsamen Stellen nachdrückliche Betonungen setzen. Das klappte ganz ausgezeichnet und erzielte enorme Wirkung.
Das wunderbare Concerto Bremen harmonisierte ganz wunderbar mit den Stimmen. Alles verwob sich so zu einer gut abgestimmten Einheit, und man kam – trotz der hohen Sängerzahl – in den Genuss, zum Beispiel die Laute (Bernhard Reichel) klar und deutlich herauszuhören. Eine sehr schöne Kastenorgel mit sonorem Klangvolumen (Beate Röllecke) schuf einen feinen Hintergrund. (...)
Dazu gehörte auch, dass der Chor Rollen spielte. Mal als aufgebrachte Menge, die den Tod Christi fordert, mal als Häscher, dann wieder als Mägde und Knechte, Kriegsknechte, sogar die Hohepriester werden eindrucksvoll vom vereinigten Chor gesungen. Das Kunststück dabei ist, jedem Einsatz ein eigenes Gepräge, einen eigenen Charakter zu geben.
Das funktionierte über den variablen Einsatz der verbalen Schwerpunktsetzungen. Dann wieder waren es die Choräle, die mit wunderbarer Musik prunkten und die Dramatik des österlichen Geschehens immer wieder in beruhigende Bahnen führten, bis zum Schluss eine massive Wendung stattfindet, und im letzten Choral der Mensch mit seiner Bitte um einen sanften Tod und die Auferstehung thematisiert wird.
Für diesen Gnadenerweis, will „ich dich preisen ewiglich“. Und dieses „ewiglich“ wird nun zu einem Lobpreis in einem einzigen Wort und damit zu einem ergreifend schönen Schlussmoment, der so eindringlich war, dass der Applaus erst nach einer langen Schweigezeit, in der das Publikum gebannt den verwehenden Tönen nachlauschte, einsetzte.