Die Gegenwart der Erinnerung: Werke von Dieter Zirkel in der Graphothek
Die Graphothek der Ostfriesischen Landschaft erhält Teile des Nachlasses von Dieter Zirkel
Die Graphothek der Ostfriesischen Landschaft hat Anfang Oktober 2025 Teile des künstlerischen Nachlasses von Dieter Zirkel (1940–2025) übernommen. Übergeben wurde die Schenkung von seiner Witwe Ingrid Zirkel im Wohnhaus des Künstlers in Wagenfeld. Entgegengenommen wurde sie von Dr. Welf-Gerrit Otto, dem Leiter der Kulturagentur der Ostfriesischen Landschaft, der die Graphothek gemeinsam mit einem Team engagierter Ehrenamtlicher betreut. Otto dankte der Witwe herzlich für die großzügige Übereignung, die das Werk Zirkels dauerhaft in der Region verankert und für die Öffentlichkeit zugänglich macht.
Ein Künstler zwischen Tradition und Zeitdiagnose
Dieter Zirkel, 1940 in Hannover geboren, studierte nach seiner Schulzeit an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig. Dort erhielt er eine fundierte Ausbildung in Malerei und Grafik, die sein gesamtes Schaffen prägte. Bereits früh entwickelte er eine eigenständige Bildsprache, die sich zwischen realistischen und expressiven Ausdrucksformen bewegte. Neben seiner Tätigkeit als freischaffender Künstler war Zirkel auch als Kunsterzieher tätig, wodurch er Generationen von Schülerinnen und Schülern mit der Kunst in Berührung brachte.
Seine Arbeiten wurden in zahlreichen Ausstellungen gezeigt, unter anderem im Kunstverein Norden, der ihm 2011 eine umfassende Schau widmete. Zirkel erhielt im Laufe seiner Karriere verschiedene Auszeichnungen, die seine Bedeutung als Künstler der Region unterstrichen.
Themen und Bildsprache
Zirkel war ein genauer Beobachter seiner Umwelt. Seine Werke reichen von Landschaftsdarstellungen über Stadtansichten bis hin zu grafischen Zyklen, die gesellschaftliche Entwicklungen kritisch reflektieren. Besonders eindrucksvoll sind seine dystopischen Landschaften, die eine zerstörte, von Krisen gezeichnete Welt zeigen. Diese Bilder wirken heute aktueller denn je: Sie verweisen auf ökologische Bedrohungen, gesellschaftliche Verwerfungen und die Fragilität menschlicher Zivilisation.
Zirkel gelingt es in seinen Arbeiten, eine „Atmosphäre der Bedrohung“ zu erzeugen, die zugleich von künstlerischer Präzision und ästhetischer Kraft getragen wird. Seine Kunst hat dadurch nichts von ihrer Relevanz eingebüßt – im Gegenteil: Gerade in Zeiten globaler Krisen wirken seine Werke wie eine eindringliche Mahnung und zugleich als künstlerische Zeitdiagnose. 1988 schriebt er anlässlich einer Ausstellung:
„Die Themen meiner Malerei werden unvermeidlich beeinflußt durch die ständige Konfrontation mit flächendeckenden Zerstörungen unseres Planeten, mit psychischen und physischen Verwüstungen der Menschheit – entstanden und fortwährend entstehend durch einen nur quantitativ ausgerichteten Fortschritts-glauben, ein homozentrisches Weltbild, in dem Terra, Flora und Fauna eine lediglich dienende, Materie liefernde Funktion zugebilligt wird, durch eine zur Perversion gesteigerte Gewinnmaximierung, kurz – eine Summierung von Fehlentwicklungen, die dem endgültigen Massen-Suizid der Spezies homo sapiens den Weg ebnet.“ (Quelle)
Ein bleibendes Vermächtnis
Mit der Aufnahme von Teilen seines Nachlasses in die Graphothek wird das Werk Dieter Zirkels dauerhaft bewahrt und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Damit wird nicht nur das künstlerische Erbe eines bedeutenden Malers und Grafikers gesichert, sondern auch ein wichtiger Beitrag zur Dokumentation der Kunstgeschichte Nordwestdeutschlands geleistet.
Dr. Welf-Gerrit Otto betonte bei der Übergabe, dass die Graphothek mit dieser Schenkung um eine wertvolle Facette reicher werde. Sie ermögliche es, das Werk Zirkels in seiner ganzen Breite zu studieren und zugleich neue Perspektiven auf die Kunst der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu eröffnen.
So bleibt Dieter Zirkel nicht nur als Künstler, Lehrer und Chronist seiner Zeit in Erinnerung, sondern auch als Mahner, dessen Bilder uns heute eindringlich vor Augen führen, wie verletzlich unsere Welt ist.
In diesem Beitrag erwähnt
Regionale Kulturagentur der Ostfriesischen Landschaft
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