Wie die Friesen die Langfristpolitik des römischen Imperiums beeinflussten

Geschichte(n) Ostfrieslands: Mit Lothar Englert auf Zeitreise

Das Römische Reich und seine Provinzen zur Zeit seiner größten Ausdehnung unter Kaiser Trajan in den Jahren 115–117
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Vielleicht liegt die eigentliche Stärke des Stammes der Friesen darin, dass er immer wieder unterschätzt worden ist.  Man hat diesem Volk nichts Großes zugetraut, weder politisch noch militärisch, schon überhaupt nicht kulturell. Ein großer Fehler. Dabei rede ich nicht über ihren allgemeinen Leumund in der Sicht der sogenannten kleinen Leute. Ich meine die Großen der Geschichte, die Entscheider, die ersten Protagonisten ihrer jeweiligen Zeit. 

Werfen wir zunächst einen Blick auf das hohe Mittelalter. Seien wir dabei großzügig und sehen wir über die mittleren Ebenen hinweg, über kleine Grafen und nachrangige Bischöfe, die versucht haben, sich dieses kleinen Ländchen unter den Nagel zu reißen. Also schweigen wir zu Konrad von Werl (im Jahr 1092) und Heinrich von Northeim (im Jahr 1101), die sich bei ihrem Einmarsch blutige Nasen (der letztere) geholt oder gar das Leben verloren haben (der erstere und sein Sohn).  Nein, schauen wir getrost eine Etage höher in der Hierarchie, etwa auf den Sachsenherzog Bernhard II. (den berühmten „Bilunger“). Er reitet im Jahr 1058, begleitet durch Erzbischof Adalbert von Bremen, nach Östringen. Dort will er Grafenrechte durchsetzen, die ihm offenbar „dem Papier nach“ auch zustehen. Mit üblen Folgen. Seine Truppen werden in Hinterhalten aufgerieben, die Reste in die Flucht geschlagen.

Selbst Heinrich der Löwe (1129-1195), noch eine Etage höher, Herzog von Sachsen und Bayern, scheitert derart desaströs, dass sich sogar Papst Hadrian IV. in Rom zu der Bemerkung veranlasst sieht, die „militärische Kraft des Reiches“ sei nicht fähig, das „rohe Volk der Friesen, ein Stamm ohne politische Erfahrung und Weisheit“ zu besiegen. 

Und jetzt machen wir einen gewaltigen Sprung in der Geschichte, zurück ins Altertum, denn unser Thema ist ja nicht das Heilige Römische Reich, sondern das Imperium Romanum.  Die Vorgänge in Germania Magna, ausgelöst durch die Varusschlacht im Jahr 9 n. Chr., haben Kaiser Tiberius in Rom im Jahr 16 n. Chr. zu der Entscheidung bewogen, die dauerhafte Eroberung Germaniens jenseits des Rheins endgültig aufzugeben. 

Was haben die Friesen damit zu tun? 

Dazu blicken wir in das Jahr 28.  Die Friesen stehen auf, sie wehren sich gegen überzogene Forderungen ihrer Besatzer. Die Eintreiber werden gekreuzigt oder in die Flucht geschlagen. Ein aus Niedergermanien herangeführter Großverband wird aufgerieben. In dieser Lage bekräftigt Kaiser Tiberius seine Entscheidung aus dem Jahr 16. Er legt das Thema Einverleibung Gesamtgermaniens zu den berühmten Akten.

Ich behaupte also, dass die Friesen die Langfristpolitik Roms in Bezug auf Germanien entscheidend beeinflusst haben. An dieser Behauptung gefällt mir am besten, dass man sie nicht widerlegen kann. 

Lothar Englert             

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