Jüdisches Leben

Reichtum und Verpflichtung

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Vom Schicksal des Individuums zum Wohlergehen einer Gemeinschaft ist es eigentlich nur ein kleiner und durchaus logischer Schritt. Zumindest in der Mehrzahl aller Fälle stehen beide in einer kommunizierenden Wechselbeziehung zueinander. Auf eine einfache Formel gebracht könnte man also sagen; wenn es der Mehrzahl der Bürger gut geht, gilt gleiches für die Gesellschaft. Und umgekehrt. 

Nimmt man die Prosperität eines Gemeinwesens als Ziel öffentlichen und bürgerlichen Handelns, lautet die Frage an ihre einzelnen Mitglieder nicht: „Wer bist du?“, sondern eher: „Was kannst du beitragen?“ Dieser Zusammenhang gewinnt vor allem dann an Bedeutung, wenn knapper werdende Ressourcen wachsenden Anforderungen zu ihrer Lösung gegenüberstehen. Den darin wurzelnden Spannungen muss sich Jede und Jeder stellen. Es wird zu Recht erwartet, dass sich im Verhältnis der Einzelperson zur Gemeinschaft Nutzen und Beitrag zumindest die Waage halten. Dabei gilt aber auch; wer nicht leisten kann wird von der Gemeinschaft getragen, solange es nötig ist. Weiter entspricht dem allgemeinen Ethos, dass starke Schultern mehr tragen als die, denen aus plausiblen Gründen zur Übernahme größerer Lasten die Kraft fehlt.

Bei uns ist seit mehr als 1700 Jahren jüdisches Leben nachweisbar. Sein Wirken hat die deutsche Kultur derart stark beeinflusst, dass man sagen kann; hier liegt das Salz in unserer Erde. Man kennt kaum einen Bereich in Kunst und Wissenschaft, in dem jüdische Deutsche nicht akzentuiert in Erscheinung getreten sind. Spiegelt man diese Leistungen am ihrem soziologischen Verhältnis zur Gesamtbevölkerung, dann sind sie überproportional.

Namen wie Albert Einstein, Else Lasker-Schüler, Heinrich Heine, Max Liebermann und Felix Mendelsohn Bartholdy stehen stellvertretend für die Vielzahl von jüdischen Deutschen, die in besonderer Weise zur Wohlfahrt unseres Volkes beigetragen haben. Nicht vergessen darf man Wirtschaftsführer wie etwa aus der Familie Liebermann, die für Lohn und Brot sorgten. Ein besonderes Kapitel sind die Soldaten nicht nur des I. Weltkriegs, die für das Deutsche Reich kämpfend höchste Tapferkeitsauszeichnungen erwarben. Sie waren vor allem ein Symbol der Verbundenheit mit unserem Land.      

Der unschätzbare Beitrag jüdischen Lebens ist ebenso lückenlos sichtbar wie seine gnadenlose Verfolgung. Was sich über die vielen Jahrhunderte immer wieder zeigte, fand in der Zeit des Nationalsozialismus einen Höhepunkt, der mit keinem anderen Weltereignis vergleichbar ist. Aber auch heute, in unserer Gegenwart, wird Recht und Würde von Mitbürgern jüdischen Glaubens wieder in Frage gestellt. 

Aus dem Bewusstsein dieser Zusammenhänge, dem Wert jüdischen Lebens für unser Gemeinwesen und seiner Relativierung in Teilen der Gesellschaft erwächst eine Verpflichtung, die wir alle annehmen müssen.

Lothar Englert       

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Frisia Judaica

Auf den Spuren des jüdischen Erbes in Ostfriesland und den Nachbarregionen

Das Vorhaben „KultinO“ wird innerhalb des Programms Region gestalten des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen in Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt und Raumforschung gefördert.