LiteraturFest Wittmund 2024

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„Mach doch kein Theater“: Witz und Lachen erobern das LiteraturFest Wittmund

Wie befreiend und begeisternd das gemeinsame Lachen sein kann, bewies an einem besonderen Abend das Trio aus Herma Cornelia Peters, Edith und Reiner Gleibs bei ihrem LiteraturFest-Auftritt am Samstagabend. Und wieder zeigte sich, dass die Parole der Beatles „All You need is Love“ nichts von ihrer Gültigkeit verloren hat.

Dies ist für die beiden Protagonisten, Lore und Harry, eigentlich eine Weisung, die sie gerne aus ihren Sturm und Drang-Jahren in den 60ern mitgenommen hätten. Wie gelegentlich, wenn’s passt, den anti-kapitalistischen Impuls. Nun aber finden sie sich nach 40jähriger Ehe in der Rentenzone ihres Lebens wieder und stellen fest, dass sie nicht recht wissen, ob sie denn noch glücklich sind oder - etwa nicht? Als die Tochter Gloria zum drittenmal heiraten möchte, diesmal den Sprößling einer Hamburger Immobiliendynastie, mit allem Prunk und Protz, den ein gut gefülltes Bankkonto so hergeben, ist dies der Ausgangspunkt von Gesprächen der beiden, in denen Lores Unzufriedenheit und Verunsicherung deutlich wird. Harry hat sich mit der Pflege seines Gartens und dem Genuss seiner sorgenfreien Rentnerexistenz bestens arrangiert und tut sich anfangs schwer, der Gefühlswelt seiner Frau folgen zu können. 

Dies jedoch geschieht mit viel Wortwitz und temporeichem verbalen Austausch der beiden. Auch wenn man Harry in seiner Sixties-Nostalgie und dem Umgang mit seiner Tochter nicht immer folgen möchte, wird er von Reiner Gleibs liebevoll als Mischung aus borniertem Gutmeinenden und Spät-68er angelegt, den man sicher schon mal irgendwo kennengelernt hat. Edith Gleibs als seine sehnsuchtsvolle Ehefrau Lore wandelt zwischen Verlorenheit und Sehnsucht hin und her und erinnert sich mehr als Harry daran, dass es doch im Leben mehr geben sollte, als friedvolles Rasen mähen und Blumen schneiden.

Dies alles ist witzig, temperamentvoll und lebendig dargestellt. Herma Peters, als Erzählerin die dritte auf der Lesebühne und damit die wissende Stimme, die erläutert, was gerade zwischen den Eheleuten geschieht, hat bei der gemeinsam mit Edith Gleibs erarbeiteten Übersetzung der Vorlage von Elke Heidenreich und Bernd Schröder geschickt den roten Faden gesponnen: Oll leevde, alte Liebe, die nicht rostet, nur zu ruhen scheint, die am Ende triumphiert und sich bewährt als verbindende Kraft: All You need is love.

Nicht nur dieser Abend, der das Publikum in der Peldemühle begeisterte und standing ovations erntete, hatte Oll leevde in sich, auch die vorhergehenden drehten sich immer wieder um dieses zentrale Thema. „All You need is love“, so scheint es, könnte als Botschaft gelten, die von den unterschiedlichen Protagonisten und Protagonistinnen immer wieder ausgesandt wurde. Das Niederdeutsche Theater Aurich ist unzweifelhaft eine weitere wunderbare Entdeckung. Lothar Englert, dem diese Tat zu verdanken ist, hatte in seiner Einschätzung völlig richtig gelegen und bekam seinerseits Applaus für seine charmante, mitunter schelmenhafte Moderation, mit der das Publikum offenkundig erreichte. „All You need is a good laugh“, immer wieder und nun auch beim LiteraturFest Wittmund .

 

Ein Schluss wie ein Beginn: Märchen und Sagen verzaubern die Peldemühle 

Moderator Lothar Englert hatte es gewusst: Mit launigen Worten wies er zum Auftakt des vierten und damit letzten Abends des LiteraturFest Wittmund 2024 darauf hin, dass es wohl nicht leicht werde, den drei Highlights zuvor noch einen drauf zu setzen. Am Ende freute er sich ganz besonders, Unrecht behalten zu haben. Heike Tönjes mit ihrer hingetupften Harfenmusik, Brigitte Hagen mit ihrer wohltönenden Stimme und Elise Andresen-Bunjes mit einem Feuerwerk an Schnurren und Parabeln up platt hatten die bis auf den letzten Platz gefüllte Peldemühle begeistert.

Elise Andresen-Bunjes hatte sich bei der Gestaltung ihres Programms nicht auf die klassischen Volks- oder Kunstmärchen konzentrieren wollen, verriet sie dem Publikum am Ende. Vielmehr wolle sie mit Witz und Gewitzheit Geschichten erzählen, die in alten, sittenstrengen Zeiten wohl lehrreich und mahnend gewirkt haben dürften. Auf das moderne Publikum des Wittmunder LiteraturFestes aber verfehlten sie ihre Heitere und mitunter frivole Wirkung keineswegs. Der weit gespannte Bogen der Geschichten setzte sich aus Anleihen bei Bocaccios Decamerone aus dem 14. Jhrhundert, persischen Parabeln aus dem Umfeld von 1001 Nacht über spanische und ostfriesische Quellen zusammen. Die preisgekrönte Künstlerin schaffte es, eine Erzählatmosphäre zu schaffen, in der sich jeder Zuhörer und jede Zuhörerin angesprochen fühlen konnte. Geschichten sind es, so bewies sie ihrem begeisterten Publikum, die uns unterhalten und gleichzeitig über den Zustand der Welt und ihrer mitunter skurril auftretenden Bewohner und Bewohnerinnen auf dem Laufenden halten können. 

Das seit 2009 gemeinsam auftretende Paar Tönjes/Hagen erfüllten, als wäre es der Plan gewesen, die Erwartungen an das klassische Repertoire der Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm. Brigitte Hagens wohltönende und einfühlsame Stimme bereitete ihren Zuhörern, wie sie es unter Beifall bekundeten, ein geradezu wohliges Gefühl der Erinnerung an eigene Kindheitstage oder die Unterhaltung eigener Kinder und Enkel. Die zarte, zurückhaltend melodisch gespielte Keltische Harfe von Heike Tönjes tat ihr kongenial Übriges zu einer Reise durch die fantastische Welt der Zauberer, Mythen und Geheimnisse, wo der Teufel und seine Großmutter gleich am anderen Ufer des breiten Stromes wohnt… 

Das Publikum fühlte sich bestens begleitet von den märchenhaften Reiseführerinnen, genoß ganz offensichtlich die humorvolle und besinnliche Seite der Erzählkunst. Zur Freude der Veranstalter hielten viele der Besucher und Besucherinnen nicht mit ihrer Freude über das an den vier LiteraturFest Wittmund -Abenden Erlebte und Gehörte hinter den Berg, viele gaben beim Abschiednehmen ihrer Hoffnung Ausdruck, es möge 2025 ein viertes LiteraturFest in Wittmund geben. Moderator Lothar Englert stellte abschließend fest, dass das Ziel das vierte Highlight zu schaffen offenkundig erreicht worden sei. Auch er versprach, in 2025 mit dem Team des LiteraturFestes wiederzukommen.

Walter Ruß

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