Über die Friesische Freiheit

Hintergründe und Zusammenhänge

Steinpyramide von 1833 auf dem Upstalsboom
Lizensiert gemäß Alle Rechte vorbehalten von Matthias Süßen

Der Ort einer Quelle ist nicht konstitutiv für die Kraft des Stromes, den sie nährt. Das Wissen um Ingredienzen einer Speise ist keine Voraussetzung für ihren ungetrübten Genuss. Man kann sich schöner Musik erfreuen ohne zu wissen, wer sie komponiert hat, ein gelungenes Gedicht berührt allein durch das gesetzte Wort, die Urheberschaft ist ohne Bedeutung.

Mit den Lebensbedingungen der Menschen verhält es sich ähnlich. Es gilt vor allem, ihre Güte zu bewahren. Dazu bedarf es des Bewusstseins ihrer Merkmale eher als der Fähigkeit zur Deklination ihrer philosophischen Substanz. Für den Erhalt ersterer tätig einzutreten kann durch tiefere, auch historisch begründete Bildung bereichert werden ohne jedoch zwingend davon abhängig zu sein.   

In diesem Sinne ist die „Friesische Freiheit“ kein Mythos, sondern auch heute noch wahrnehmbare Realität. Müssen wir ihre Wurzeln kennen, um, sie zu schätzen? Ich glaube nicht. Wenn wir dennoch einen Blick darauf werfen so deshalb, weil es unterhaltsam ist. Von allen Varianten, die wir heute „zu kennen“ glauben, finde ich die nachfolgende am spannendsten. Sie geht zurück auf das Jahr 799. In Rom wird Papst Leo III. entführt, er hat viele Feinde in der Stadt, vor allem unter den Familien, die in ihm einen Usurpator sehen, einen Eindringling, der ihnen den Stuhl Petri geraubt hat, den sie als Erbhof ihrer Sippen betrachten. Man verschleppt den Pontifex in das Kloster Erasmus. 

Nicht weit entfernt, in Spoleto, halten die Franken eine Garnison, die von Herzog Winniges geführt wird. In einem Handstreichunternehmen befreit Winniges den Papst. Dabei sollen sich friesische Kämpfer des Verbandes besonders bewährt haben. Zum Dank gewährt Karl I. (der Große) den Friesen Freiheitsrechte, die diesen Stamm vor allen anderen auszeichnet. Sie betreffen Subordination, Tributpflicht und Heerfolge. Untertan sind die Friesen nur dem König, später dem Kaiser, und nur ihm zahlen sie Tribut (Huslotha= Königssteuer). Heerfolge leisten sie nicht etwa durch die Mitwirkung an Feldzügen, sondern ausschließlich zum Schutz der Heimat. 

Neben dieser „Legende“ hält sich hartnäckig die durch überlieferte Zeugnisse in der Geschichte gestützte Vermutung, dass sich die Friesen ihre Freiheitsrechte schlicht genommen und sie wehrhaft verteidigt haben. Auch die Herrschaft der Cirksena konnte ihren Kern nicht aushöhlen und Friedrich II., an den die Grafschaft im Jahre 1744 fiel, war klug genug, den Friesen ihre Rechte nicht substanziell zu bestreiten. Er war im Übrigen erst vier Jahre König und hatte wahrlich andere Sorgen, als dieses Ländchen daran zu hindern, nach „eigener Fasson selig zu werden.“ 

Die heutigen Menschen im Land sind sich dessen stolz bewusst, ohne in jedem Fall seine Zusammenhänge durchbuchstabieren zu können. Das ist kein Schaden und kann so bleiben. Entscheidend ist die Bereitschaft, für seinen Fortbestand zu wirken. 

Lothar Englert  

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Das Vorhaben „KultinO“ wird innerhalb des Programms Region gestalten des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen in Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt und Raumforschung gefördert.

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