Der Museumsverbund Ostfriesland
Museumsberatung und Netzwerkarbeit

Die Vorgeschichte: MOBiLe
Ende 1978 setzte sich in Ostfriesland MOBiLe in Bewegung: Museen in Ostfriesland als Bildungsstätten und Lernorte. Ziel war die
„Entwicklung und Erprobung von Möglichkeiten der pädagogischen Erschließung und Nutzung kleinerer musealer Sammlungen einer ländlichen Region sowie für die Bedingungen der pädagogischen Nutzung großer städtischer Sammlungen in stadtfernen Regionen.“
Die Museen, die hierbei mit in die Arbeit einbezogen wurden, rekrutierten sich aus der Arbeitsgruppe Museen – Büchereien – Archive der Ostfriesischen Landschaft. Bereits seit 1974 bemühten sie sich als „Ostfriesischer Museumsverbund“ um eine Reform des Museumswesens in Ostfriesland. Der spätere Landschaftsdirektor Dr. Hajo van Lengen forcierte das Anliegen mit Nachdruck. Im Abschlussbericht von MOBiLe wird der Leitgedanke beschrieben mit:
„[…] von den quantitativen Gesichtspunkten des unterschiedslosen Ansammelns der Vergangenheit weg und hin zu mehr qualitativen Gesichtspunkten zu kommen, d.h. Beschränkung und Verbesserung statt Ausweitung und Vermehrung. Die Idee ist, ein System, eine museale Infrastruktur regionalen Zuschnitts zu erreichen, worin jedes Museum als besonderer Teil eines allgemeinen Ganzen fungiert. Das setzt Bereitschaft der Museen zur festen Kooperation und strikten Koordination und eine zentrale Organisation voraus.“
Diese Gedanken sind auch heute weiterhin prägend im Museumsverbund Ostfriesland. Eine Volkskundlerin – zuerst Dr. Gudrun Sievert (1978-1980), dann Dr. Hedwig Hangen (ab 1980) – und ein Pädagoge – Dr. Eilert Ommen (1978-1981) – sowie ein Arbeitskreis von Lehrern arbeiteten intensiv mit sechs „älteren und etablierten“ Museen: dem Heimatmuseum Leer, dem Ostfriesische Teemuseum mit Museum für Volkskunde in Norden, dem Heimatmuseum Rheiderland in Weener, dem Fehn- und Schiffahrtsmuseum Westrhauderfehn, dem Burgmuseum in Pewsum und dem Wald- und Moormuseum in Berumerfehn. Hierzu gehörte die Inventarisierung und Katalogisierung der Sammlungen, die Festlegung von Sammlungsschwerpunkten und daran anschließend in einigen Fällen eine inhaltliche Neuorientierung bzw. Zuspitzung. Die Häuser erfuhren zum Teil eine grundlegende Änderung ihrer Dauerausstellung, auch mit baulichen Eingriffen oder Sanierungsarbeiten verbunden, um Sonderausstellungsbereiche sowie Arbeits- und Magazinräume zu erhalten oder einen Rundgang in der Ausstellung zu ermöglichen. Im Zentrum der Arbeit stand die Beratung und Fortbildung der Museumsmitarbeiter, die Entwicklung und Koordination von Sonderausstellungen, die museumspädagogische Vermittlung wie auch die gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit.
In der Zusammenarbeit der Projektmitarbeiter mit den Lehrerinnen und Lehrern entstanden mehr als 30 Publikationen, die Themen der regionalen Geschichte für den Schulunterricht aufbereiteten u.a. zu Stadtgeschichte, Handwerk, Kunstgattungen oder der Archäologie. Die „Texte und Materialien“ wurden zum Teil als Begleitung zu Ausstellungen verfasst. Zudem erschienen seit Oktober 1982 regelmäßig unter dem Titel „kiek mal rin“ Nachrichten aus den Museen und Sammlungen an der ostfriesischen Küste. Das Projekt MOBiLe endete mit dem April 1983. Die Arbeit der Museumsberatung konnte nahtlos, wenn auch personell geringer bestückt in die Museumsfachstelle der Ostfriesischen Landschaft überführt werden.
Der Museumsverbund Ostfriesland erweiterte sich bis zum Jahr 1989 auf insgesamt elf Mitglieder. Dies waren – mit ihren im Vergleich zur Gegenwart zum Teil abweichenden Namen – das Historische Museum Aurich, das Mühlenfachmuseum Aurich, das Wald- und Moormuseum Berumerfehn, das Schulmuseum Folmhusen, das Heimatmuseum Leer, das Moormuseum Moordorf, das Heimatmuseum Norden, das Ostfriesische Freilichtmuseum Pewsum (Burg und Mühle), das Fehn- und Schiffahrtsmuseum Rhauderfehn und das Heimatmuseum Rheiderland Weener. Zusammen schlossen die Museumsträger und Standortkommunen mit der Ostfriesischen Landschaft als nicht eingetragener Verein eine schriftliche Vereinbarung zur Gründung des „Museumsverbunds Ostfriesland“, in der es in § 1 u.a. heißt:
„Die im Museumsverbund zusammengeschlossenen Museen präsentieren an dezentralen Standorten die Kulturgeschichte Ostfrieslands und machen sie einer breiten Öffentlichkeit nutzbar. Sie entwickeln für ihre Einrichtung eine Konzeption, legen ihre Sammlungsschwerpunkte fest und stimmen diese verbindlich untereinander ab.“
Die Absicht, durch die Mitglieder des Verbunds ein dezentrales Ostfriesland-Museum zu bilden, gilt weiterhin, weswegen dem Antrag auf Aufnahme in den Verbund – neben anderen Bedingungen – auch nur zugestimmt werden kann, wenn ein interessiertes Haus einen neuen kulturhistorischen Aspekt mitbringt.
Ab dem 1. Januar 1999 trat eine modifizierte Vereinbarung in Kraft. Der Museumsverbund Ostfriesland ist nun nicht mehr direkt bei der Ostfriesischen Landschaft, sondern in der Ostfriesland-Stiftung angesiedelt, die Mitgliedschaft der Standortkommune der beteiligten Museen im Verbund ist als zwingende Voraussetzung formuliert und eine direkte finanzielle Beteiligung des Landes Niedersachsen am Museumsverbund Ostfriesland gibt es nicht mehr. Dafür hat die Beachtung der Museumskonzepte und die Einhaltung der Sammlungsschwerpunkte eine größere Bedeutung erhalten wie auch die Erarbeitung gemeinsamer Projekte.
Gemeinsame Projekte und Sonderausstellungen
Wie erwähnt, wurden bereits innerhalb des Projekts MOBiLe und durch die Museumsfachstelle bis 1989 gemeinsame Sonderausstellungen erarbeitet. Diese Arbeit ist in den Folgejahren fortgesetzt und weiterentwickelt worden. 1993: „Friesische Uhren und ihre Handwerker“. Texte und Redaktion lagen in den Händen von Heiko Weber, der 1990 Hedwig Hangen in der Geschäftsführung des Museumsverbunds Ostfriesland ablöste und diese bis 1994 innehatte. Die Ausstellung wurde im Deutschen Sielhafenmuseum Carolinensiel, im Historischen Museum Aurich und im Heimatmuseum Leer gezeigt.
Zur Vorbereitung der Ausstellung „Als Friesen Preußen waren. Ostfriesland im 18. Jahrhundert“ mitsamt Begleitpublikationen, die 1997 veröffentlicht wurden, war drei Jahre zuvor Dr. Willem Kuppers von der Ostfriesischen Landschaft eingestellt worden. Es beteiligten sich nahezu alle damaligen Mitgliedsmuseen mit Einzelausstellungen und einem umfangreichen Begleitprogramm. Zu dem gehörte u.a. eine „Inspektionsreise“ Friedrich des Großen, dargestellt vom Schauspieler Peter Kaempfe, durch Ostfriesland, die auf ein sehr großes öffentliches Interesse stieß. Willem Kuppers begleitete den Museumsverbund Ostfriesland als Geschäftsführer bis 2011.
„53°27’N – Expeditionen in die unbekannte Heimat“, dessen Vorbereitungen 1999 aufgenommen wurden, war als kulturelles Langzeitprojekt der Kulturagentur der Ostfriesischen Landschaft unter Beteiligung des Museumsverbunds Ostfriesland geplant. Aufgrund fehlender Finanzierung wurde es allerdings bereits im Folgejahr wieder eingestellt.
„Schein & Sein. Ostfrieslands Kirchen im Blick von Künstlern und Fotografen“ war im Jahr 2010 eine Gemeinschaftsausstellung von zehn Museen des Museumsverbunds Ostfriesland in Kooperation mit der Fachhochschule Hannover – Abteilung Fotografie und einigen ostfriesischen Kirchengemeinden.
Ihren Beitrag zum kulturtouristischen Themenjahr in Ostfriesland „Land der Entdeckungen“ leisteten die Verbundmuseen 2013 mit verschiedenen Sonderausstellungen, museumspädagogischen Angeboten und Aktionstagen, die unter der Überschrift „Entdecken! Die Museen in Ostfriesland“ gebündelt waren. Dies geschah bereits unter der Ägide von Dr. Nina Hennig, die ihre Position als Geschäftsführerin 2011 angetreten hatte.
Besonders intensiv und arbeitsreich waren für die Museen des Verbunds die Projekte M.O.I.N. (Museumsverbund Ostfriesland Inventarisierungs-Netzwerk) und SAMMELN! M.O.I.N. förderte von 2001 bis 2004 unter der Projektleitung von Dirk Heisig die digitale Inventarisierung der Sammlungsbestände. Die Ausstattung mit Lizenzen des Inventarisierungsprogramms FirstRumos und zum Teil mit Computern und digitalen Fotokameras stand neben regelmäßigen Fortbildungen und mehrwöchiger unterstützender Arbeit der Projektmitarbeiter direkt vor Ort. Ein Mitteilungsblatt fasste für alle Teilnehmer die wichtigsten Zwischenergebnisse und Handlungsanweisungen zusammen oder gab einen Pressespiegel zur Wahrnehmung der Aktivitäten in der Öffentlichkeit heraus. Eine „ostfriesische Objektdatenbank“ wurde gesichert auf CD-Roms bzw. auf externen Festplatten festgehalten. Das Projekt M.O.I.N. wurde 2003 mit dem Sonderpreis für Museen der Niedersächsischen Sparkassenstiftung ausgezeichnet.
SAMMELN! schloss sich inhaltlich als Projekt von 2004 bis 2007 an M.O.I.N. an, da während der Inventarisierung der Bestände die Frage nach dem musealen Wert einzelner Objekte oder von Sammlungsgruppen auftauchte. Ziel von SAMMELN! war deswegen die Qualifizierung der Sammlungsbestände. Das wiederum von Dirk Heisig geleitete Projekt arbeitete in Kooperation mit dem Ergänzungsstudiengang „Museum und Ausstellung“ der Carl von Ossietzky-Universität in Oldenburg, betreut von Prof. Dr. Kurt Dröge. Für jedes Museum wurden noch einmal die Sammlungsschwerpunkte festgelegt und daraufhin die Bestände dahingehend bewertet, ob sie wichtig, unverzichtbar oder aber auch entbehrlich für das jeweilige Museumsprofil sind. Über eine Tauschbörse wechselten im Anschluss innerhalb des Museumsverbunds Ostfriesland einige hundert Objekte ihren Standort und verschärften dadurch die Sammlungsstrukturen der Häuser. Ein weiteres Ergebnis waren zwei Publikationen, die ähnliche Sammlungsbestände an mehreren Verbundmuseen aus verschiedenen Perspektiven befragten. Die geschah an den Beispielen des ostfriesischen Silbers und der Schifffahrt und Fischerei in Ostfriesland . Ein dritter Band hält die Ergebnisse einer Tagung fest, die die Anliegen der Sammlungsqualifizierung im europäischen Museumskontext spiegelte.
Einige der Museen des Museumsverbunds Ostfriesland waren unter den Pionieren, die 2007 an der ersten Runde des Registrierungsverfahrens des Museumsverbands für Niedersachsen und Bremen e.V. teilnahmen. Inzwischen kann sich ein Drittel der Mitglieder mit der Plakette schmücken. Diesen Prozess begleitete Dr. Willem Kuppers als Geschäftsführer besonders engagiert. Als Vorstandsmitglied im Museumsverband für Niedersachsen und Bremen e.V. übernahm er auch Berater- und Gutachtertätigkeiten zur Registrierung von Museen in anderen Regionen Niedersachsens.
Um noch deutlicher auf die kulturelle Vielfalt, ausgedrückt durch die Museen des Verbunds, hinzuweisen, wurden im Jahr 2011 Visitenkarten für jedes Haus sowie für die Geschäftsstelle gedruckt, die in modernen Acrylaufstellern nicht nur in den Häusern selbst, sondern auch an vielen anderen Orten in Ostfrieslands ausliegen, in denen Gäste, aber auch einheimische Kulturinteressierte sie finden können und damit zu Besuchen in den Museen aufgefordert werden. Die bunten Karten haben inzwischen bereits eine Neuauflage erfahren und sind um die beiden Neuzugänge des August-Gottschalk-Hauses in Esens und das Museum Nordseeheilbad Norderney ergänzt worden.
Kooperationen
Dem Museumsverbund Ostfriesland liegt die Kooperation der Mitglieder untereinander besonders am Herzen. Zu diesem Zweck existiert auch eine Mailingliste, über die Fragen allgemeinerer Art, Objektangebote und Informationen zu Veranstaltungen oder Förderprogrammen schnell an alle weitergegeben werden können. Aber auch darüber hinaus arbeitet der Verbund mit anderen Partnern zusammen. Seit 2004 gibt er beispielsweise mit den Landschaften in Oldenburg und dem Landkreis Emsland sowie den niederländischen Museumsberatungsstellen in Groningen, Friesland und Drenthe das MuseumMagazin(e) heraus. 2013 erweiterte sich der Rahmen um das Elbe-Weser-Dreieck sowie Bremen und Bremerhaven. Die kostenlos verteilte Broschüre liefert Informationen zu nahezu 250 Museen zwischen Leeuwarden und Buxtehude und regt auch Interessierte aus Nachbarregionen zu einem Besuch an.
In Zusammenarbeit mit dem Regionalen Pädagogischen Zentrum der Ostfriesischen Landschaft richtete der Museumsverbund Ostfriesland 2011 und 2013 unter dem Titel „Unterricht, der aus dem Rahmen fällt – außerschulische Lernorte stellen sich vor“ in der Stadthalle Aurich eine Bildungsmesse aus. Diese vereinte die pädagogischen Angebote für Kinder und Jugendliche aus Einrichtungen der Bereiche Technik, Natur, Kunst, Theater und natürlich dem Museum. Dieses Veranstaltungsformat hat sich zu einem Erfolg entwickelt und soll weitergeführt werden.
Sein Jubiläum feierte der Museumsverbund Ostfriesland mit einer Festschrift und einer kleinen Ausstellung, die in allen 16 Mitgliedshäusern ab April 2014 bis zum Ende der Saison zu sehen und verbunden ist mit einem Gewinnspiel, an dem sich alle Besucherinnen und Besucher bis zum 1. Oktober 2014 beteiligen konnten.
In diesem Beitrag erwähnt
Ostfriesische Landschaft
Kultur, Wissenschaft und Bildung
Fehn- und Schiffahrtsmuseum Westrhauderfehn
Maritimes Herz der Moore
Mühlenfachmuseum Stiftsmühle Aurich
Geschichte hautnah entdecken