Vor gar nicht langer Zeit präsentierte ein befreundeter Küstengeograph eine Lesung im Carolinensieler Sielhafenmuseum mit Auszügen aus zwei Aufzeichnungen örtlicher Pastoren über die sagenhafte Weihnachtsflut von 1717. Eine eindrucksvolle Lesung mit dramatischen Schilderungen im O-Ton von Menschen, die die Katastrophe selbst erlebt hatten, und eindringlichen Berichten darüber, was geschieht, wenn der Mensch in Konflikt mit den Naturgewalten gerät. An dieser Lesung waren mehrere Dinge bemerkenswert: Zum einen fand sie an einem Kultur-Ort statt, der wie kaum ein anderer in unserer Region die gegenseitige Abhängigkeit von Natur und Mensch aufarbeitet und erklärt, zum anderen wurde mit Mitteln der Kulturvermittlung darüber gesprochen, was geschehen kann, wenn die Beziehung Mensch-Natur katastrophal scheitert.
Diese Episode aus dem kulturellen Angebot des Harlingerlands unterstreicht eindrucksvoll, wie die Aufklärung über diese Zusammenhänge sich mit den Mitteln der Kulturvermittlung verbinden lassen. Kultur also kann wertvolle Dienste leisten, wenn es um die Aufklärung über solche aktuellen Themen wie Klimaschutz und Nachhaltigkeit geht. Und damit ist eine Frage beantwortet, die am Anfang einer jeden Diskussion über den Zusammenhang dieser mächtigen Themenblöcke steht: Was hat Kulturarbeit oder Kultur an sich mit der Aufklärungsarbeit über Klimaschutz und Nachhaltigkeit zu tun?
Ich gebe zu, dass ich aus eigener ignoranter Erfahrung sprechen kann, da ich stutzte, als ich im Zusammenhang mit einer Antragstellung für Fördermittel darauf hingewiesen wurde, dass Angaben über nachhaltiges Planen und Organisieren der Förderwürdigkeit meines Projektes helfen würden. Diesen kurzen Moment des Stutzens konnte ich dann aber nutzen, der Sinnhaftigkeit dieses Gedankens zu folgen. Selbstverständlich ist der Ostfriesische Kunstkreis als Teil des großen Kreislaufs von Waren und Dienstleistungen ein Ort, an dem Klimaschutz und Nachhaltigkeit ihren Platz haben. Einmal intellektuell über diese Hürde gesprungen, bemühte ich mich nach Möglichkeiten zu suchen, wie der OKK seine wichtige kulturell-kreative Arbeit »klima-kulturell« ergänzen und vervollständigen kann.
Zum modernen Denken über die Welt und die Zustände auf ihr gehört selbstverständlich das Denken in Netzwerken und Synergien, in Abhängigkeiten und Zusammenhängen hinzu. Das macht die konkrete Umsetzung anspruchsvoller, komplexer auch (als Steigerung von kompliziert) als bislang, aber auch wirksamer und stringenter, verantwortungsbewusster und kreativer. Die Tatsache, dass alles mit allem zusammenhängt, ist mittlerweile ein Gemeinplatz. Zumindest scheint er das zu sein. Kein Gemeinplatz ist jedoch die Frage, welche Konsequenzen für die Kulturverantwortlichen daraus folgen, beziehungsweise wie sich handwerklich-konkret die Kultur-Arbeit verändert.